Geschichte des Department of Mathematics an der TUM

Die Wurzeln der mathematischen Wissenschaften reichen bis weit in die Antike zurück. Im Mittelalter wurden sie in Klöstern, Fürstenhöfen und ab dem 12. Jahrhundert in Universitäten im Rahmen der Traditionen der alteuropäischen und altorientalischen Gelehrsamkeit gepflegt. Dort gehörten sie im Rahmen des Fächerkanons der Septem Artes Liberales (sieben freien Künste) als Arithmetik und Geometrie zum Quadrivium.

Auch in der zunächst nicht-akademischen Ausbildungstradition der Artes Mechanicae (praktische Künste), in der Handwerk als Kunst zunächst im Vordergrund stand, gewann die Ingenieurausbildung – und damit einhergehend die Mathematik – mehr und mehr an Bedeutung, zum Beispiel im hochprofessionellen Bergbau der Renaissance. Auszubildende mussten Mathematik-Kenntnisse erwerben. 

Schließlich wurden auch für den Bereich der technischen (Aus-)Bildung eigene Hochschulen gegründet. Die Technische Hochschule München (THM) eröffnete nach einigen Vorstufen offiziell im Jahr 1868 unter der Bezeichnung „Polytechnische Schule München“ und besaß bereits Hochschulstatus. Die Bezeichnung THM durfte sie ab dem Studienjahr 1877/78 führen.

Die folgende Schilderung der Geschichte der Mathematik an der Technischen Universität München (TUM) seit der Gründung der THM stellt es sich zur Aufgabe, nicht nur die Professuren zu listen, sondern auch „deren Verflechtungen in die allgemeine Geschichte von Staat, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft ihrer Zeit“ (1) schlaglichtartig zu beleuchten. Auf diese Weise sollen Interaktionen sichtbar werden zwischen der Entwicklung der TUM von einer untergeordneten technischen Schule zur gleichberechtigten Partnerin der seit dem Mittelalter etablierten Universitäten und der Fakultät für Mathematik.

Letztere entwickelte sich von einem Unterbereich der „Allgemeinen Abteilung“ der THM mit der Hauptaufgabe der mathematischen Ausbildung von Ingenieur:innen zu einer gleichberechtigten Fakultät der TUM. Damit verbunden war eine zukunftsfähige Positionierung im Wissenschaftsbetrieb in Form von Kooperationsmöglichkeiten, Wettbewerbsfähigkeit, Prestige und Wahrnehmung von Fördermöglichkeiten. Seit 2022 ist sie als Department of Mathematics in die School of Computation, Information and Technology (CIT) integriert.

_________
Quellenangabe:
(1) Wengenroth, S. VII

Entwicklung zu Fakultät und Department

Bei der Gründung der Technischen Hochschule München (THM) waren Technische Hochschulen (THs) deutschlandweit ein Novum in der Bildungslandschaft und mussten sich gegen die etablierten Universitäten behaupten, auch wenn sie formaljuristisch gleichgestellt waren. Hier war viel institutionelle Aufbauarbeit nötig – auch im Verband mit den THs deutschlandweit.

Der weitere Aufbau der THM im neuen Format einer TH und ihre erfolgreiche Einbindung in die Bildungslandschaft dienten als Rahmen für die Entwicklung der Fakultät für Mathematik an der TUM (Eckdaten zur Geschichte der TUM). Mehrere Mathematik-Professoren wirkten an dieser Aufbauarbeit als Rektoren der THM mit: 

Walter von Dyck

1900 – 1903

1901 erhielt die THM Promotionsrecht und die Berechtigung zur Verleihung des Titels „Doktor der technischen Wissenschaften“. Das Promotionsrecht mussten sich die THs trotz angeblicher formaljuristischer Gleichberechtigung mit den Universitäten erkämpfen. Für die Mathematik war das Promotionsrecht der THM von großer Bedeutung, da ohne Promotionsrecht die auf dem Gebiet der Mathematik Promovierenden ihre Promotion an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) abschließen mussten, sodass die wissenschaftliche Leistung der THM-Mathematiker unsichtbar blieb. Das Promotionsrecht war daher eine Grundvoraussetzung zur Entwicklung eines eigenständigen Forschungsprofils jenseits der Dienstleistungslehre für Ingenieure und der Ausbildung von Lehramtskandidaten.

1903 – 1906

Walter von Dyck war der erste gewählte Rektor der THM nach der Einführung der Rektoratsverfassung im Jahr 1902. Sein Konzept einer „wissenschaftlichen TH“ prägte die THM für Jahrzehnte.

1919 – 1925 

Walter von Dyck übernahm nochmals das Amt des Rektors und nutzte seine organisatorischen Fähigkeiten und seinen großen Einfluss auf Abgeordnete, Kabinettsmitglieder und Ministerialbeamte, um die THM gut durch die für Universitäten besonders schwere Zeit nach dem Ersten Weltkrieg zu bringen (Rede zum Dies Academicus von 1920).

Georg Faber

1945 – 1946 

Georg Faber hatte die schwere Last der ersten Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg zu tragen. Unter seinem Rektorat begann die Aufbauphase der THM nach Kriegsende. Unter anderem war den Gebäuden der THM im Krieg ein erheblicher Schaden zugefügt worden (Trauerrede).

Robert Sauer

1954 – 1956

Robert Sauer erwarb sich durch seine gestalterischen Leistungen an der baulichen und fachlichen Modernisierung der THM bleibende Verdienste. Die von Felix Klein und Walther von Dyck begründete Tradition der wissenschaftlichen Ingenieurausbildung entwickelte Robert Sauer weiter. 

In jener Zeit begann die Mathematik, die Informatik (Mathematik der Information) als eigenständige fachliche Disziplin hervorzubringen. Robert Sauer stellte die Weichen für die Einführung der Informatik an der THM. Aus der Zusammenarbeit mit Hans Piloty als Vertreter der Elektrischen Nachrichten- und Messtechnik an der THM entstand die PERM (Programmgesteuerte Elektronische Rechenanlage München). Als Repräsentant der Hochschulen im bayerischen Senat, einer nur in Bayern neben dem Landtag vorhandenen zweiten gesetzgebenden Kammer, wirkte Robert Sauer hochschulpolitisch über die THM hinaus. Er initiierte die Gründung des Leibniz-Rechenzentrums der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Später wurde er Präsident dieser Akademie und Erster Vizepräsident des bayerischen Senats.

1868

Ausbau und Umzug der Polytechnischen Schule in einen Neubau in der Arcisstraße: Erstmals wurde ein „Programm“ präsentiert, das „Zweck und Gliederung der Anstalt“ definierte und die mathematischen Wissenschaften unter den „Lehrgegenständen“ aufführte.

1875

Schaffung des Mathematischen Instituts unter der Leitung der Professoren Klein und Brill (1).

1877

Ernennung zur Königlich Bayerischen Technischen Hochschule zu München bei Gleichstellung mit den Landesuniversitäten: Im Rahmen der Gründung der THM, die sich in 6 Abteilungen gliederte, entstanden drei Lehrstühle für Mathematik als Teil der Allgemeinen Abteilung

1929

Neugliederung der THM in sieben Abteilungen; Eingliederung des Mathematischen Instituts und der Sammlung für darstellende Geometrie in die Allgemeine Abteilung (2): Bei jener Sammlung handelte es sich um eine umfangreiche Sammlung von geometrischen Gipsmodellen und grafischen Darstellungen für den mathematischen Unterricht an Hochschulen. Deren Grundstock legten bereits die Professoren Brill, Klein und von Dyck.

1957

Gründung des Instituts für Angewandte Mathematik (3): Zuvor war neben dem Mathematischen Institut bereits das Institut für Geometrie gegründet worden. 

1970

Ernennung der THM zur Technischen Universität München (TUM)

1975

Aufteilung der Abteilung für Allgemeine Wissenschaften in vier Fakultäten im Rahmen einer Neugliederung der Fakultäten, darunter die Fakultät für Mathematik: An dieser wurden das Institut für Geometrie und das Mathematische Institut zum Institut für Mathematik zusammengefasst. Zudem richtete man das Institut für Statistik und Unternehmensforschung und das Institut für Informatik ein. Den Aufbau der Informatik an der TUM – unter dem Dach der Mathematik – betrieb wesentlich Friedrich L. Bauer, der auf einen neu geschaffenen Lehrstuhl der Fakultät für Mathematik berufen worden war. Bereits 1967 hielt er die erste Vorlesung „Einführung in die Informatik“. Die flexible Prüfungsordnung der Mathematik ließ diesen neuen Studienzweig ohne bürokratische Klimmzüge zu (4).

1980

Umbenennung der Fakultät für Mathematik in Fakultät für Mathematik und Informatik

1982 und 1983

Umbenennungen der Institute für Statistik und Unternehmensforschung bzw. Mathematik in Institut für Angewandte Mathematik und Statistik bzw. Mathematisches Institut.

1992

Trennung in Fakultät für Mathematik und Fakultät für Informatik: Die Fakultät für Mathematik wurde in die folgenden mathematischen Arbeitsbereiche gegliedert: 

  • Analysis
  • Geometrie
  • Numerische Mathematik und Wissenschaftliches Rechnen
  • Stochastik
  • Algebra und Zahlentheorie
  • Diskrete Mathematik
  • Mathematische Modellbildung und Partielle Differentialgleichungen
  • Optimierung
  • Mathematische Modelle

Diese waren auf das Mathematische Institut und das Institut für Angewandte Mathematik und Statistik verteilt.

1996

Fachlich orientierte Gliederung der Fakultät für Mathematik in zunächst 13 und schließlich 17 M-Einheiten, unterstützt von zentralen Service-Bereichen: Als einziges Institut wurde das Zentrum Mathematik eingerichtet, das die gesamte Fakultät umfasste (Department-Struktur). Die M-Einheiten repräsentierten die Lehr- und Forschungsschwerpunkte der Fakultät: 

  • Optimierung (M1)
  • Numerische Mathematik (M2)
  • Wissenschaftliches Rechnen (M3)
  • Mathematische Statistik (M4)
  • Mathematische Physik (M5)
  • Mathematische Modellierung (M6)
  • Analysis (M7)
  • Dynamische Systeme (M8)
  • Angewandte Geometrie und Diskrete Mathematik (M9)
  • Geometrie und Visualisierung (M10)
  • Algorithmische Algebra (M11)
  • Biomathematik (M12)
  • Finanzmathematik (M13)
  • Wahrscheinlichkeitstheorie (M14)
  • Angewandte und Numerische Analysis sowie Datenanalyse (M15)
  • Numerische Methoden in der Plasmaphysik (M16)
  • Optimalsteuerung (M17)

2022

Integration der Fakultät für Mathematik in die TUM School of Computation, Information and Technology (CIT) als Department of Mathematics 

_________
Quellenangaben:
(1) Ströhlein 1995, S. 2
(2) Pabst, S. 182
(3) Ströhlein 1995, S. 1
(4) Ströhlein 1993, S. 3

Parallel zur institutionellen Entwicklung musste auch die räumliche Entwicklung weitergeführt werden. Die ersten Lehrstühle waren zunächst im Neubau der THM untergebracht, der nach deren Gründung auf einem freien Gelände an der Arcisstraße errichtet wurde. Die Polytechnische Hochschule befand sich zunächst in der Damenstiftstraße. In der Folgezeit wurden viele Erweiterungsbauten nötig. 

Um 1925 wurde der sog. Bestelmeyer-Südtrakt neu errichtet, in den das damalige Mathematische Institut einziehen konnte. Allerdings war man auch dort nach einiger Zeit so beengt, dass beispielsweise das Institut für Angewandte Mathematik 1968 auf fünf Standorte verteilt war. So erfolgte der Umzug der gesamten Fakultät für Mathematik in den Neubau auf dem sogenannten Bunkergelände, dem Südostgelände der THM an der Barerstraße (später: Robert-Sauer-Bauten). 

In den 1990er Jahren begann die Planung für einen Neubau am Forschungsgelände Garching. Diesen bezogen die Fakultät für Mathematik und die Fakultät für Informatik im Jahr 2002 gemeinsam.

Wichtige Themen in der Geschichte des Departments

Das Studium der Mathematik konnte an der 1868 gegründeten THM von Anfang an in gleicher Weise wie an einer Universität betrieben und abgeschlossen werden – lange Zeit ein Novum für die Technischen Hochschulen in Deutschland. Die mathematische Grundausbildung musste breit aufgestellt sein und viele Ausbildungsbereiche gleichzeitig abdecken (S. 3 unten). Sie orientierte sich an den Ausbildungsbedarfen von Ingenieuren. Das Problem, unterschiedliche Fachrichtungen mit mathematischer Lehre versorgen zu müssen, lösten die Direktoren Klein und Brill des 1875 neu geschaffenen Mathematischen Instituts, indem sie den viersemestrigen Vorlesungszyklus Höhere Mathematik I-IV einführten, der damals auch auswärtige Lehrpläne weitgehend prägte (1). Die durch Klein und Dyck begonnene Tradition der wissenschaftlich ausgerichteten Ingenieurausbildung wird an der TUM bis heute als ein Schwerpunkt in der Lehre fortgesetzt. Heute haben Studierende sogar aller Fachrichtungen an der TUM in ihrer Grundausbildung (spezielle) Mathematik-Vorlesungen zu besuchen, die mit wenigen Ausnahmen Dozent:innen des Department of Mathematics anbieten (Service-Lehre bzw. Dienstleistungslehre).

Mit der neuen Gliederung im Jahr 1996 und der Einführung innovativer Diplom-Studiengänge wie Technomathematik, Wirtschafts- und Finanzmathematik oder Biomathematik bekannte sich die Fakultät für Mathematik ausdrücklich zu einem anwendungsbezogenen und computergestützten mathematischen Profil in Forschung und Lehre, ohne dabei die mathematischen Grundlagen zu vernachlässigen. Damit unterstrich sie nicht nur ihre Stellung als wichtige Querschnittfakultät an einer Technischen Universität, sondern verschaffte sich insbesondere auch ein fachliches Alleinstellungsmerkmal unter allen Mathematik-Fakultäten an bayerischen Universitäten.

Das machte die TUM in den folgenden Jahren zu einer höchst attraktiven Ausbildungsstätte für Diplom-Mathematiker:innen und schlug sich auch in der gymnasialen Lehramtsausbildung für das Fach Mathematik nieder. Diese konnte in jener Zeit nach einer Unterbrechung seit dem Wintersemester 1984/85 wieder aufgenommen werden. 

Im Rahmen der Umsetzung des Bologna-Prozesses wurden in den Jahren nach 1999 die Diplomstudiengänge nach und nach durch entsprechende konsekutive Studienangebote mit den Abschlüssen Bachelor und Master ersetzt. Seither bietet die TUM einen einzigen grundlegenden mathematischen Bachelorstudiengang an. 

Darüber hinaus wurde 2004 der individuell zugeschnittene Elitestudiengang „Mathematik mit Promotion (TopMath)“ als Bestandteil des damals neu gegründeten Bayerischen Elitenetzwerks etabliert. Bis 2021 wurde mit dem Elitestudiengang „Finance & Information Management (FIM)“ ein weiterer Master-Studiengang gemeinsam mit Fakultäten der Universität Augsburg angeboten.

____________
Quellenangaben:
(1) Ströhlein 1995, S. 2

Auswirkungen des Regimes auf das akademische Leben

Die Diktatur des Nationalsozialismus zog über Studentenverbindungen und Hochschulgesetzgebung in das akademische Leben ein, steuerte den akademischen Betrieb und bestimmte so auch die Atmosphäre der Münchner Hochschullandschaft (1).

Statt sich offen gegen das NS-Regime zu stellen, versuchten die Münchner Mathematiker der LMU und der THM durch geschicktes Taktieren die Eingriffe zu minimieren, um weiterhin möglichst unbeschadet und störungsfrei zu lehren und zu forschen. So verzichtete man beispielsweise in dieser Zeit auf Anträge zur Neubesetzung von Mathematik-Professuren, da die Stellen nur von regimetreuen Personen besetzt werden durften (siehe Galerie der Professor:innen mit einer Lücke bei den Neuberufungen von 1934 bis 1948). Da sich die mathematischen Wissenschaften einer direkten Vereinnahmung für die Zielsetzungen des Terrorregimes entzogen, standen sie nicht im Fokus der Aufmerksamkeit des NS-Regimes. Dies begrenzte die Übergriffe der Diktatur, verhinderte sie jedoch nicht.

Jüdische Mathematiker:innen im NS-Regime

Der bereits durch den Ersten Weltkrieg angefachten neuen Welle an Antisemitismus, die das NS-Terrorregime zu neuen Höhen führte, konnten sich jüdische Mathematiker:innen in ganz Deutschland nicht entziehen, auch wenn für das NS-Regime die mathematischen Wissenschaften zweitrangig waren (2). Emigration, Tod im Konzentrationslager und Freitod waren deutschlandweit die Folgen (3). Doch trotz der Repressionen waren jüdische Mathematiker:innen wissenschaftlich aktiv (4).

Die Solidarität der Münchner Mathematik-Professoren mit ihren jüdischen Kollegen war groß, wie Friedrich L. Bauers Beispiel des „Mathematischen Kränzchens“ zeigt. Sie konnten ihre Kollegen aber nur begrenzt schützen, wie das Beispiel des LMU-Mathematikers Pringsheim – Schwiegervater von Thomas Mann – zeigt, der wegen seiner wertvollen Kunstsammlung in die Fänge der NS-Diktatur geriet und 1941 verarmt im Exil in Zürich starb (5). Der jüdische LMU-Mathematiker Hartogs wählte sogar 1943 den Freitod (6) und dem THM-Mathematiker Liebmann wurde die Berufsausübung unmöglich gemacht (7).

________
Quellenangaben:
(1) Herrmann 2010
(2) Huckle, S. 5
(3) dto., S. 4
(4) dto., S. 15
(5) Bauer 1993, S. 11
(6) dto, S. 16
(7) dto, S. 14

Die alliierten Siegermächte setzten den Mathematik-Professor Faber, der nicht mit dem NS-System kooperiert hatte, zum ersten Rektor der THM nach Kriegsende ein. Der Neustart erfolgte unter der engmaschigen Aufsicht der Militärregierung – so musste sogar für das Mathematische Kolloquium eine Genehmigung eingeholt werden.

Das Entwerfen und Bauen von Rechenmaschinen blickt auf eine lange Tradition zurück. Laufend wurden zunächst mechanische und dann elektrische Rechenmaschinen auf der Grundlage unterschiedlicher mathematischer Forschung in verschiedenen Wissenschaftsbereichen entwickelt – zunächst ohne das Bewusstsein, damit eine neue Wissenschaft zu begründen (Bauer: "40 Jahre Informatik in München: 1967 – 2007", Einleitung). 1956 wird die PERM in Betrieb genommen (Geschichte des Leibniz-Rechenzentrums). Das wissenschaftliche Fachgebiet der Informatik (engl.: Computer Science) entwickelte sich schließlich aus der Mathematik heraus und wurde in Forschung und Lehre zunächst ausschließlich von Mathematiker:innen vertreten, so auch an der THM. Den Begriff Informatik prägte Friedrich L. Bauer: Aus dem vorderen Teil von „Informationsverarbeitung“ und dem hinteren Teil von „Mathematik“ entstand die Wortneuschöpfung. Auf dessen Veranlassung hin richtete die THM 1967 den ersten Informatik-Studiengang ein (Interview mit F. L. Bauer von 1995).

Die Trennung der beiden Fakultäten änderte auch für die Fakultät für Mathematik die Strukturen und machte eine komplette Neuausrichtung im Bereich Forschung, Lehre und Organisation nötig. Gleichzeitig blieben die beiden Fakultäten räumlich nah zusammen und kooperierten eng. Eine neue Generation von forschungsnahen Professor:innen war Teil dieser Neuaufstellung und setzte sie um (siehe Galerie der Professor:innen). Sie wurde in den 1990er Jahren mit dem Ziel berufen, ein zukunfts- und wettbewerbsfähiges Profil aufzubauen. Für die Neukonzeption konnte 1999 das Projekt „Reformfakultät“ eingeworben werden, bei dem das „Centrum für Hochschulentwicklung“ die Fakultät für Mathematik bei ihrer weiteren Entwicklung unterstützte. 

Die Parabelrutsche als Kunst am Bau wurde gebaut nach der Formel: z = y = h/d2x2

Die Trennung in die Fakultät für Mathematik und die Fakultät für Informatik war für erstere mit einer erheblichen Einbuße an Ressourcen verbunden. In dieser Situation fand die Fakultät für Mathematik im damaligen Präsidenten der TUM, Professor Wolfgang A. Herrmann, einen der Mathematik gegenüber höchst aufgeschlossenen und wohlgesonnen Fürsprecher. Er unterstützte die Neuausrichtung der Fakultät ab 1996 durch eine großzügige Budgeterhöhung und durch die Bewilligung zusätzlicher Professuren inklusive neuer Lehrstühle. Zudem warb die Fakultät verstärkt Drittmittel ein, was zu einem Personalzuwachs beitrug. Dies führte zu erheblichen Problemen bei der Unterbringung in den Robert-Sauer-Bauten auf dem Südostgelände der TUM. Wie schon in den späten 1960er Jahren war die Fakultät für Mathematik bald wieder auf mehrere Standorte in Münchens Maxvorstadt verteilt. Bei der Fakultät für Informatik war die Situation nicht anders. 

Ende der 1990er Jahre ging es dann recht schnell: Die damalige Bundesregierung hatte ein Förderprogramm aufgelegt, in dessen Rahmen ein von einem privaten Bauträger neu errichtetes Hochschulgebäude vor dem endgültigen Kauf durch die öffentliche Hand zunächst für eine bestimmte Zeit geleast werden konnte. Dieses Programm ermöglichte letztlich die Finanzierung des Garchinger Neubaus für die Fakultäten Mathematik und Informatik durch den Freistaat Bayern. 2002 konnten die beiden Fakultäten das neue Gebäude gemeinsam beziehen (1).

Mit dem Umzug in das neue Dienstgebäude standen der Fakultät für Mathematik in engster Nachbarschaft zur Informatik hervorragende Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung: WLAN im gesamten Gebäude, Rechnerpool-Räume – auch für die Studierenden, vernetzte Computer, Hörsäle mit moderner Multi-Media-Ausstattung und interaktive Lehrangebote. Die Zusammenarbeit mit der Schwesterfakultät für Informatik war weiterhin eng. Allerdings führte wachsendes Personal in beiden Fakultäten dazu, dass auch das neue Dienstgebäude nach wenigen Jahren zu klein war, sodass Teile der beiden Fakultäten ausgelagert werden mussten, etwa die Statistik und die Finanzmathematik in angemietete Räume eines Gebäudes auf dem Business-Campus in Garching-Hochbrück.

________
Quellenangaben:
(1) siehe auch Bauer 2007, S. 233ff.

Entwicklung des wissenschaftlichen Profils

Die Anwendung mathematischer Denkweisen und Methoden ist längst nicht mehr auf der Mathematik traditionell nahestehende wissenschaftliche Fachgebiete wie Informatik, Physik und Ingenieurwissenschaften beschränkt. Moderne mathematische Modelle und Verfahren werden zunehmend auch in Chemie, Biologie und Medizin ebenso wie in den Wirtschaftswissenschaften mit großem Erfolg eingesetzt. Darüber hinaus ist die Mathematik heutzutage eine Schlüsseltechnologie der Wirtschaft. Im Zeitalter der Hochtechnologie und weltweit vernetzter Systeme ist Mathematik gefragter denn je: Halbleiter- und Automobiltechnik, Design und Betrieb von Hochgeschwindigkeitsnetzen, Gentechnik, Medizintechnik, Klimaforschung und Materialwissenschaften sind nur einige Beispiele, wo Mathematik gebraucht wird. 

An vielen Universitäten beschränkt sich die Forschung und Lehre jedoch nach wie vor auf inner-mathematische Inhalte (Reine Mathematik). Dagegen bekannte sich die Fakultät für Mathematik der TUM Mitte der 1990er Jahre ausdrücklich zu einem anwendungs- und computerorientierten Profil (Angewandte und Computergestützte Mathematik). Es war ihre Mission, durch die spezielle fachliche Ausrichtung eine Brücke zwischen dem theoretischen Verständnis der Mathematik und praktischen Anwendungen zu schlagen. Noch heute wird am Department of Mathematics der TUM nicht nur auf den klassischen Gebieten der Mathematik wie Algebra, Analysis, Geometrie, Numerik oder Wahrscheinlichkeitstheorie geforscht und gelehrt. Vielmehr ist dieses Department eines der führenden Zentren Europas im Bereich der Angewandten und Interdisziplinären Mathematik. Die Forschung orientiert sich zu einem hohen Grad an Problemstellungen aus der realen Welt, wobei die mathematischen Grundlagen nicht vernachlässigt werden. Dies verschränkt die TUM-Mathematik mit vielen anderen wissenschaftlichen Disziplinen und Bereichen der Wirtschaft (Interdisziplinarität) und trägt der universellen Bedeutung der Mathematik als Grundlagenwissenschaft ebenso Rechnung wie den aktuellen Herausforderungen der Zeit.

Mitte der 1990er Jahre begann sich die Fakultät für Mathematik konsequent und sehr breit in Richtung der Angewandten und Computergestützten Mathematik aufzustellen, was noch heute das wissenschaftliche Profil des Department of Mathematics der TUM prägt. Die Gliederung der Fakultät in M-Einheiten (Lehr- und Forschungseinheiten) mit entsprechenden Lehr- und Forschungs­schwerpunkten (vgl. die Aufzählung unter Institutionelle Entwicklung der Mathematik an der THM/TUM) und die Einführung einer Department-Struktur mit einem einzigen, die gesamte Fakultät umfassenden Institut, dem Zentrum Mathematik, schufen die strukturelle Grundlage dafür. Den M-Einheiten lag eine wissenschaftliche Schwerpunktsetzung zugrunde. Sämtliche Professor:innen der Fakultät wurden gemäß ihrer jeweiligen fachlichen Schwerpunkte zusammen mit ihren Forschungsgruppen den M-Einheiten zugeordnet. Darüber hinaus diente die wissenschaftliche Schwerpunktsetzung der M-Einheiten zur Orientierung für die Widmung wieder zu besetzender oder neu einzurichtender Professuren. Informationen zu den personellen Veränderungen im Professorium, die damit einhergingen, finden Sie im Artikel „Zur Genealogie der Mathematikprofessuren an der TUM seit den 1990er Jahren“.

_______

* Informationen zur Entwicklung bis 1990 findet man bei Ströhlein 1995.

Oben finden Sie jeweils das frühere Logo der betreffenden M-Einheit. Es folgt eine grobe Spezifikation jener Schwerpunktsetzung einschließlich ausgewählter Forschungsschwerpunkte bezogen auf die M-Einheiten. Inzwischen wurde die Gliederung der Fakultät nach mathematischen Forschungsfeldern überarbeitet und die Einteilung der Professor:innen zusammen mit ihren Forschungsgruppen Mitte 2017 entsprechend neu konzipiert. Am Department of Mathematics der im Oktober 2022 gegründeten School of Computation, Information and Technology sind inzwischen außerdem engere Forschungsgebiete vertreten, die sich in den letzten Jahren entwickelt haben.

Optimierung (M1)

Die mathematische Optimierung beschäftigt sich damit, für unterschiedlichste Problemstellungen die bestmöglichen Lösungen zu finden. Oft geht es darum, in gegebenen Szenarien Energie beziehungsweise Kosten zu minimieren oder die Rendite zu maximieren bzw. vorhandene Ressourcen effizient zu nutzen. Das erfordert die quantitative Erfassung der zugrundeliegenden technischen und wirtschaftlichen Prozesse. Der methodische Kern entsprechender Modellierungen, Analysen und Algorithmen ist häufig mathematischer Art. Ein Forschungsschwerpunkt ist die Entwicklung effizienter Methoden zur Lösung großer nicht-linearer Optimierungsprobleme, die beispielsweise im Zusammenhang mit der Formoptimierung von Bauteilen bzw. Werkstücken oder der Kontrolle von Flüssigkeiten auftreten.

Numerische Mathematik (M2)

Eine zentrale Komponente des Profils der TUM-Mathematik ist die Numerische Mathematik. Sie beschäftigt sich mit der Entwicklung numerischer Rechenverfahren, ihrer Analyse und ihrer Umsetzung in Rechenprogramme für digitale Rechenautomaten (Computer) sowie deren Anwendung zur mathematischen Lösung von wissenschaftlich-technischen Problemen aus vielerlei Bereichen. Wichtige Schwerpunkte sind die Behandlung von Kontroll- und Steuerungsproblemen aus der Luft- und Raumfahrt, der Kraftfahrzeugtechnik und der Robotik. Mathematische Modelle sind hier vielfach durch Gewöhnliche Differentialgleichungen gegeben, die zum Zwecke der Implementierung auf Computern in geeigneter Form diskretisiert werden.

Wissenschaftliches Rechnen (M3)

Eine moderne Form der Numerischen Mathematik ist das Wissenschaftliche Rechnen. Dabei werden für vielfältige Probleme effiziente und genaue Algorithmen entworfen, analysiert und auf modernen Hochleistungsrechnern implementiert. Oftmals besteht die Aufgabe darin, hochkomplexe Prozesse in Natur und Technik mithilfe von Computersimulationen nachzubilden, vorherzusagen und zu steuern sowie Prozessparameter zu schätzen. Wichtige praktische Probleme sind in der Regel jedoch so komplex, dass nur im Zusammenspiel mit verschiedenen Teilbereichen der Mathematik und anderen Wissenschaften sowie mit den Anwendungsbereichen relevante Fortschritte zu erzielen sind. Mathematische Modelle sind hier häufig durch Partielle Differentialgleichungen oder auch durch sogenannte Algebro-Differentialgleichungen gegeben. Letztere ermöglichen es, bei der System- und Prozessmodellierung a-priori unter den Zustandsgrößen gegebene Relationen zu berücksichtigen.

Mathematische Statistik (M4)

Praxisnah ist naturgemäß die Mathematische Statistik. Sie ist ein angewandter Ableger der Wahrscheinlichkeitstheorie (Mathematik der Unsicherheit) und spielt zusammen mit dieser in fast allen Lebensbereichen eine Rolle. Die Statistik umfasst quantitative Methoden, um Informationen aus Daten herauszufiltern (data mining). Dabei werden Daten als zufällig angesehen. Ein wichtiger Teilbereich ist das quantitative Risikomanagement, bei dem insbesondere mathematische Methoden zur Risikoanalyse und Risikomessung entwickelt werden. Ein bedeutender Spezialfall ist die Risikomodellierung für Zeitreihendaten und hochdimensionale Netzwerkdaten. Eine konkrete Anwendung ist die Risikoquantifizierung im Versicherungs- und Finanzbereich, im Luftverkehr oder auch für den Klima- und Umweltschutz.

Mathematische Physik (M5)

Die Mathematische Physik beschäftigt sich mit mathematischen Problemen, die ihre Motivation oder ihre Anwendung in der (theoretischen) Physik haben. Von besonderer Bedeutung sind dabei einerseits die mathematisch rigorose Formulierung physikalischer Theorien sowie die Analyse zugrundeliegender mathematischer Strukturen, und andererseits die Anwendung mathematischer Lösungsmethoden und Strategien auf physikalische Fragestellungen. Das umfasst die Statistische Physik, durch welche Systeme vieler (stochastisch) wechselwirkender Teilchen, stochastische Wachstumsprozesse und Grenzflächendynamiken beschrieben werden. Einige relevante Teilgebiete der Mathematik sind die angewandte Wahrscheinlichkeitstheorie sowie die Theorie stochastischer Prozesse und Zufallsmatrizen. Die Quantenphysik beschreibt Quantensysteme, das heißt wechselwirkende Teilchensysteme auf atomaren Skalen. Deren mathematische Formulierung nutzt unter anderem Spektraltheorie unbeschränkter Operatoren auf Hilberträumen, insbesondere Spektraltheorie für Schrödingeroperatoren.

Mathematische Modellierung (M6)

Ein Fokus der Mathematischen Modellbildung ist die Analyse und Steuerung komplexer Prozesse und intelligenter Systeme in Natur und Technik auf der Grundlage von Konzepten aus den relevanten Naturwissenschaften und mittels mathematischer Methoden. Beispiele sind materialorientierte Prozesse wie die (thermo-) elastische oder plastische Verformung von Materialien, Phasenübergänge, Wärme- und Wellenausbreitung in diversen Medien oder die Ausbreitung und Interaktion von Populationen gewisser Spezies in der lebendigen Natur. Die Modellgleichungen sind häufig Differentialgleichungen. Fragestellungen sind neben deren Herleitung die Existenz und Eigenschaften von deren Lösungen. Sowohl die angewandte Analysis, insbesondere Variationsrechnung, als auch die Numerische Mathematik sind hier relevante Teilgebiete der Mathematik. Eine besondere Herausforderung stellen Systeme und Prozesse dar, die eine Art von Gedächtnis haben, d.h., ihr aktuelles Verhalten wird durch ihr früheres Verhalten beeinflusst. Für die mathematische Modellierung spielen dann Hystereseoperatoren eine wichtige Rolle.

Analysis (M7) 

Im Gegensatz zu numerischen Methoden, welche mathematische Ergebnisse in Form von Zahlen liefern, kann man mit Konzepten und Methoden der Analysis zum Beispiel auch Formeln herleiten oder die Existenz und spezielle Eigenschaften von Lösungsfunktionen einer Modellgleichung nachweisen, ohne letztere explizit lösen zu müssen. Anwendungsrelevante Teilbereiche der Analysis sind unter anderem Funktionentheorie, Differential- und Integralrechnung, Maßtheorie, Variationsrechnung, Fourieranalysis, Funktionalanalysis, Approximationstheorie und Operatortheorie. Die Analysis bildet eine Grundlage vieler mathematischer Disziplinen und steht in stetiger Wechselwirkung mit konkreten Fragen aus verschiedenen Anwendungsbereichen. Forschungsschwerpunkte umfassen die Analyse der Elektronenstruktur von Atomen und Molekülen, Variationsrechnung, Moleküldynamik, Mehrskalenmethoden sowie nicht-lineare Wellen.

Dynamische Systeme (M8)

Ab Mitte des 20. Jahrhunderts gelangte die Thematik dynamischer Systeme in der Mathematik zu neuer Blüte. Ein Thema, das in den 1970er und 1980er Jahren viel öffentliche Aufmerksamkeit erfuhr, ist die nicht-lineare Dynamik, salopp gerne auch als Chaostheorie bezeichnet. Dabei steht die mathematische Analyse und Vorhersage des zeitlichen Verhaltens komplexer Systeme und Prozesse im Fokus (Mathematik der Zeit). Typische Beispiele sind Bewegungen verschiedener Art, die Verformung spezieller Materialien oder die Strömung gewisser Flüssigkeiten. Konzepte und Methoden der mathematischen Theorie dynamischer Systeme ermöglichen es insbesondere, Phänomene qualitativer Natur wie Fragen zur Stabilität von Verhaltensmustern über längere oder sogar über beliebig lange Zeitintervalle hinweg oder potenzielle Veränderungen (Bifurkationen) der Verhaltensmuster im Fall ihrer Instabilität zu untersuchen.

Angewandte Geometrie und Diskrete Mathematik (M9)

In der Praxis spielen diskrete Strukturen oftmals eine herausragende Rolle. Die Angewandte Geometrie und Diskrete Mathematik sind aufgrund ihrer engen Anbindung an algorithmische Fragestellungen wie Routenplanung und Scheduling, Chip Layout, diskrete Tomographie oder Datenanalyse ein unverzichtbarer Bestandteil des aktuellen Profils der TUM-Mathematik. Die Forschung umfasst grundlegende Aspekte der Diskreten Mathematik und Anwendungen zur Analyse und algorithmischen Behandlung praktischer Probleme aus den Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- und Finanzwissenschaften, wobei insbesondere Optimierungsfragen von Interesse sind. Es besteht eine enge Verbindung zu den mathematischen Disziplinen Kombinatorik und Graphentheorie. Konkrete Anwendungen sind etwa die optimale Planung der Flurbereinigung oder von Straßenbahnfahrplänen.

Geometrie und Visualisierung (M10) 

In der Geometrie stehen grundlegende Aspekte geometrischer Muster und Strukturen ebenso im Vordergrund wie konkrete Anwendungen, die ein tiefes geometrisches Verständnis erfordern, um Strukturen zu analysieren oder zu visualisieren. Mithilfe der Computergrafik lassen sich anschauliche Objekte und Prozesse wie Figuren und Körper bzw. deren Bewegungen formvollendet darstellen sowie viele abstrakte Strukturen und Sachverhalte geometrisch visualisieren. Dies ist insbesondere ein Mittel, um neue mathematische Einsichten zu gewinnen (Experimentelle Mathematik) oder mathematische Lösungen und Resultate eindrucksvoll zu präsentieren (Computersimulation). Hier arbeiten die Mathematik, die Informatik und die Elektrotechnik oft Hand in Hand.

 

Algorithmische Algebra (M11)

Ebenso wie die Analysis und die Geometrie ist die Algebra eines der grundlegenden Teilgebiete der Mathematik. Sie befasst sich mit Eigenschaften von Rechenoperationen auf der Basis spezieller algebraischer Strukturen wie Gruppen, Ringe oder Körper. Dies sind Mengen gewisser Objekte (Elemente), meist abstrakter Natur, für welche Verknüpfungen oder Relationen festgelegt sind, die einer Reihe von Grundannahmen (Axiomen) genügen. Neuerdings gibt es sogar die Möglichkeit, das Rechnen mit derartigen Objekten (Manipulation von Symbolketten nach vorgegebenen Regeln) auf Computern auszuführen (Computeralgebra), womit sich etwa gewisse Gleichungen exakt lösen oder sogar Beweise maschinell führen lassen. Der Algorithmischen Algebra ist die Suche nach entsprechenden Algorithmen und die Ermittlung von deren Komplexität (Effizienz) zuzuordnen. Die Algebraische Geometrie beschäftigt sich mit Beziehungen zwischen algebraischen und geometrischen Strukturen, um das Verständnis beider Seiten zu vertiefen.

Biomathematik (M12)

Die Biomathematik hat zum Ziel, mathematische Modelle und Theorien zu erarbeiten, um die Struktur und Dynamik von Systemen und Prozessen aus der lebendigen Natur zu beschreiben bzw. vorherzusagen. Dabei geht es insbesondere darum, durch Abstraktion Prinzipien und Mechanismen zu entdecken, welche der Entwicklung und Interaktion lebender Organismen zugrunde liegen. Aufgrund der erheblichen Komplexität lebender Systeme gewinnt dieser Ansatz in der Biologie und anderen Bereichen der Lebenswissenschaften bis hin zur Medizin mehr und mehr an Bedeutung. Hierbei wirken viele mathematische Disziplinen zusammen. Heutige Erkenntnisse in Ökologie, Epidemiologie, Neurologie oder Evolutionstheorie sind undenkbar ohne Mathematik. Auch die moderne, individualisierte Medizin und das Gesundheitswesen arbeiten wesentlich mit mathematisch-statistischen Modellen und Methoden. Seit 1997 besteht eine Personalunion mit dem Helmholtz-Zentrum München bzw. mit dem dortigen Institut für Biomathematik und Biometrie.

Finanzmathematik (M13)

Finanzmathematik bietet einen Zugang zum komplexen Finanzgeschehen. Modelliert werden etwa Aktienkurse, Zinsinstrumente, Rohstoffpreise, Kredite und Versicherungsprodukte. Das hilft, Optionen zu bewerten, finanzielle Risiken zu quantifizieren und optimale Anlagestrategien zu berechnen. Methodisch nutzt die Finanzmathematik ein sehr breites Repertoire an Techniken aus der Stochastik, Statistik, Numerik, Optimierung, Funktionentheorie und Funktionalanalysis.

Wahrscheinlichkeitstheorie (M14)

Die Wahrscheinlichkeitstheorie (Mathematik der Unsicherheit) untersucht, wie wahrscheinlich es ist, dass ein zufälliges Ereignis wirklich eintritt. Sie findet Anwendung in vielen Bereichen wie den Wirtschaftswissenschaften oder der Informatik. Zudem hat sie zahlreiche Verbindungen zu anderen Gebieten der Mathematik wie der Analysis, Graphentheorie und mathematischen Physik. Nicht zuletzt bildet sie zusammen mit ihrem Ableger, der Mathematischen Statistik, die Stochastik. Die Stochastik hat einen maßgeblichen Einfluss auf unser Alltagsleben. Sie untersucht stochastische Prozesse und ihr Langzeitverhalten. Forschungsschwerpunkte umfassen sogenannte Irrfahrten in zufälligen Netzwerken und zufälligen Umgebungen als Modell für Transport in inhomogenen Medien. Andere Modelle tragen dazu bei, die Dynamik komplexer biologischer Systemen besser zu verstehen oder randomisierte Verfahren in der Signalverarbeitung und Datenanalyse zu untersuchen.

Angewandte und Numerische Analysis sowie Datenanalyse (M15)

Ob in der Logistik, der Medizin oder im Mobilfunk – viele Anwendungen führen zu immer größer werdenden Datensätzen. Um diese Datenmengen zu analysieren und effizient zu nutzen, benötigt man mehr und mehr geeignete mathematische Werkzeuge. Damit lassen sich in vielen Anwendungsbereichen Prognosen erstellen, Ressourcen schonen und Kosten senken. Eine besondere Herausforderung stellen dabei sehr große Datenmengen dar, nicht zuletzt aus Gründen der Datenspeicherung. Hier sind insbesondere mathematische Konzepte zur Datenkompression von großer Bedeutung.

Numerische Methoden in der Plasmaphysik (M16)

Eine der größten Herausforderungen der Menschheit ist die Suche nach umwelt- und klimaschonenden sowie wirtschaftlich tragbaren Lösungen für das Energieproblem. Dabei ist die Kernfusion ein vielversprechendes physikalisches Prinzip, wobei es erhebliche Schwierigkeiten macht, dieses Prinzip technisch erfolgreich umzusetzen. Unter anderem beschäftigt sich die Plasmaphysik mit grundlegenden Problemen, welche in der Fusionsforschung auftreten. Von besonderer Bedeutung sind dabei 

  • einerseits die mathematisch rigorose Formulierung physikalischer Theorien und die Analyse zugrundeliegender mathematischer Strukturen und
  • andererseits die Anwendung mathematischer Lösungsmethoden und Strategien auf physikalische Fragestellungen.

Aufgrund der enormen Komplexität der mathematischen Modellgleichungen (Kinetische Modelle, für den Fall magnetischer Fusion auch Modelle der Magnetohydrodynamik) spielen hier numerische Lösungsverfahren eine vordergründige Rolle. Dabei kommt es darauf an, dass die verwendeten Algorithmen wesentliche strukturelle Merkmale des Lösungsverhaltens der ursprünglichen Modellgleichungen einschließlich von Symmetrien und zeitlichen Erhaltungsgrößen zumindest in ausreichender Näherung reproduzieren. Dies stellt eine gewaltige Herausforderung für die Wahl bzw. Entwicklung geeigneter Lösungsverfahren dar. Hier finden insbesondere Konzepte der Differentialgeometrie und der Theorie von Lie-Gruppen Verwendung. Seit 2012 besteht eine Personalunion mit dem Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching.

Optimalsteuerung (M17)

Ein Forschungsschwerpunkt ist die Entwicklung von effizienten numerischen Algorithmen zur optimalen Steuerung (Optimalsteuerung) komplexer Prozesse in Natur und Technik. Die Theorie der optimalen Steuerungen ist eng verwandt mit der Variationsrechnung und der Optimierung. Eine optimale Steuerung wird durch eine Funktion beschrieben, welche eine gegebene Zielfunktion unter einer Differentialgleichungs-Nebenbedingung und eventuell noch weiteren Restriktionen minimiert oder maximiert. 

Möchte man zum Beispiel einen Raum energieeffizient beheizen, könnte man das Ziel vorgeben, möglichst wenig Brennstoff zu verbrauchen. Wie verändert man von Zeit zu Zeit die Einstellung der Raumheizung im Laufe eines vorgegebenen Zeitfensters, um jenes Ziel zu erreichen? Im mathematischen Modell lässt sich die Funktion, welche den zeitlichen Verlauf der Einstellung beschreibt, verhältnismäßig leicht variieren und so eine Bestimmungsgleichung für optimale Steuerungen herleiten. Dabei müssen gewisse Nebenbedingungen eingehalten werden, zum Beispiel, dass die Temperatur nirgends im Raum gewisse Grenzen über- bzw. unterschreiten sollte. Den zeitlichen und räumlichen Verlauf der Temperatur könnte man mathematisch mittels der Wärmeleitungsgleichung modellieren, ausgehend von einer gegebenen räumlichen Temperaturverteilung zum Anfangszeitpunkt und geeigneten Randbedingungen. Letztere hängen insbesondere von der Wärme-Durchlässigkeit der Wände, Türen und Fenster ab, wobei natürlich auch zeitweise Lüftungsperioden zu berücksichtigen sind.

Mathematik-Professuren von der Gründung 1868 bis 2000

Die Professuren seit der Anfangszeit nach der Gründung der THM nachträglich der Mathematik zuzuordnen, ist oftmals weder institutionell noch wissenschaftlich eindeutig möglich: Institutionell waren die meisten Mathematik-Professuren der Allgemeinen Abteilung zugeordnet. Andere gehörten anderen Abteilungen an, wie August Klingenfeld, der als ordentlicher Professor für Darstellende Geometrie und Mechanische Technologie in die Abteilung der Maschineningenieure eingegliedert war (Ströhlein 1995, S. 2). Wissenschaftlich war die Abgrenzung zu verschiedenen Ingenieurwissenschaften fließend – siehe die eingebundenen Lebensläufe in der Galerie der Professuren. Dort wird deutlich, dass damals die Selbstwahrnehmung der einzelnen Professoren als Mathematiker unterschiedlich ausgeprägt war. Oberstes formales Kriterium für die Zuordnung zur Mathematik bleibt die in der Galerie der Professuren dokumentierte Widmung der Professur, doch bisweilen war sie so breit angelegt, dass sie sich der wissenschaftlichen und institutionellen Zuordnung entzieht.

Die Zuordnung der Professuren erfolgt hier daher mithilfe von zwei Quellen zur Genealogie der Mathematikprofessuren: Hashagens Übersicht von der Gründung bis 1945 und einer fakultätsinternen Darstellung. Daraus ergibt sich die Liste der Professuren von der Gründung bis 2000.

Galerie der Professorinnen und Professoren bis 2000

Nachweise und weiterführende Links

Hier finden sich die aktuellen Professuren.

Geschichte der TUM

Verwendete Literatur:

Hashagen, Ulf: Walther von Dyck: (1856 - 1934) - Mathematik, Technik und Wissenschaftsorganisation an der TH München, München 2003

Herrmann, Wolfgang A. (Hg.): Technische Universität München – Die Geschichte eines Wissenschaftsunternehmens, Band 1 und Band 2; Verfasser: Martin Pabst und Margot Fuchs, München und Berlin 2006

Herrmann, Wolfgang A.: Die TUM in der NS-Zeit, München 2010

Herrmann, Wolfgang A. und Nerdinger, W. (Hg.): Die Technische Hochschule München im Nationalsozialismus, München 2018

Meilensteine aus der Geschichte der Technischen Universität München (TUM)

Wengenroth, Ulrich (Hg.): Die Technische Universität München, München 1993

Geschichte der Fakultät

Verwendete Quellen:

Bauer, F.L.: Interview zu Kryptologie-Vorlesungen 1995: siehe Schönherr, Maximilian

Genealogie der Mathematikprofessuren, fakultätsinterne grafische Darstellung ohne Autor und Jahr

Quellen zur Fakultätsgeschichte, gesammelt von Dr. Bruno Riedmüller (zugänglich über das TUM.Archiv)

Riedmüller, B.: Beiträge zur Geschichte des Instituts für Angewandte Mathematik - Festschrift zum 70. Geburtstag von Institutsleiter Heinhold, München 1982 (zugänglich über das TUM.Archiv)

Schönherr, Maximilian: Interview mit F.L. Bauer zu seinen frühen Kryptologievorlesungen, 1995

Ströhlein, Th.: Fakultät für Mathematik und Informatik der TUM - Zur Geschichte der Fakultät, München 1989 (in Teilbibliothek Mathematik/Informatik) 

Ströhlein, Th. u.a.: Die Geschichte der Mathematik an der TUM, pdf, Stand 1995

Vorlesungsverzeichnis der THM 1877-1878: Organisationsstruktur der HochschuleAllgemeine Abteilung, Digitalisat der Bayer. Staatsbibliothek

Vorlesungsverzeichnis der Polytechnischen Schule von 1868, Digitalisat der Bayer. Staatsbibliothek

Geschichte der Fakultät

Verwendete Literatur:

Bauer, F.L.: Pringsheim, Liebmann, Hartogs - Schicksale jüdischer Mathematiker in München, München 1997

Bauer, F.L. u.a.: 40 Jahre Informatik - Festschrift, München 2007

Fakultätsschrift 1993, Website im Archiv (Links werden nicht mehr gepflegt), Stand 1993 (enthält Die Geschichte der Mathematik an der TUM als Teilbereich)

Geschichte der Mathematik an der TH München, Broschüre, München 2003

Hashagen, Ulf: Walther von Dyck: (1856 - 1934) ; Mathematik, Technik und Wissenschaftsorganisation an der TH München, München 2003

Huckle, Thomas: Mathematiker der NS-Zeit, München 2003

Scheurle, Jürgen: Zur Genealogie der TUM-Mathematikprofessuren seit den 1990er Jahren, München 2022

Schönherr, Maximilian: Interview mit F.L. Bauer zu seinen frühen Kryptologievorlesungen, 1995

Weiterführende Quellen:

Dyck-Nachlass-Akte in der Bayer. Staatsbibliothek (Inhaltsverzeichnis)

Weiterführende Literatur:

Bode, Arndt et al.: 50 Jahre Universitäts-Informatik in München, Tübingen 2017 (Springer)

Schmidt, Gunther: Rückblick auf die Anfänge der Münchner Informatik, Tübingen 2020 (Springer)

Seidl, Ernst; Loose, Frank; Bierende, Edgar (Hg.): Mathematik mit Modellen: Alexander von Brill und die Tübinger Modellsammlung, Tübingen 2018

Universitätsgeschichte:

Ellwein, Thomas: Die deutsche Universität - vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Wiesbaden 1997

Rüegg, Walter (Hg.): Geschichte der Universität in Europa (4 Bände); Band 3, S. 488 - 513: Technische Hochschulen, München 2004

Weber, E. J.: Geschichte der europäischen Universität, Stuttgart 2002

Bildnachweise:

Portraits der Professorengalerie
Alle anderen ©-Hinweise befinden sich unter dem jeweiligen Bild.